Seit 90 Jahren spielen wir fast jeden Abend Mah Jongg.

Woher kommt das? Dazu ein Ausschnitt aus meinem Ischl-Villen-Buch:

124 Steine mit bunten Bildern, gespielt von vier Personen. Das machen den um sich greifenden Mah-Jongg-Rausch aus, „der stärker als die Grippe auf dem ganzen Erdball grassiert.“ Die Zeitungen berichten laufend über die Geschichte und Spieldetails, offenbar amüsiert und erstaunt zugleich über diesen Hype. In China bestehen die Steine aus teurem Elfenbein, in Österreich entsteht eine praktikabler Variante aus Holz. „Dieses Erzeugnis verrät seine österreichische Abstammung schon dadurch, daß die Aufschriften teils aus chinesischen Schriftzeichen, teils aus arabischen Ziffern und teils aus in lateinischen Lettern angebrachten Abkürzungen englischer Bezeichnungen gebildet sind; ein schöneres Sprachengewirr hat nicht einmal das alte Österreich aufzuweisen gehabt.“

Ein Glücksspiel, dessen Einsätze nicht allzu hoch sind, und sich daher großer Beliebtheit erfreut. Auch wenn es wohl nicht das einzige Glücksspiel ist, dem im Ischler Kasino gefrönt wird, wird es doch zu einem Anziehungspunkt für Falschspieler, Hazadeure und windige Gestalten. Doch die Abgaben, an denen die Gemeinde Ischl gut verdient, werden – jedenfalls zum Teil – abgeliefert und so sehen sich die Behörden nicht gezwungen einzugreifen und lassen die Spieler gewähren. Ischl bekommt fast ein mondänes Gepräge und erhält sogar das ein oder andere Mal den Beinamen „Monte Carlo“, fast schon ein Adelsprädikat in Spielerkreisen. Geworben wird mit Inseraten in den Ischler Kurlisten, die jedoch das vergleichsweise harmlose neue Modespiel in großen Lettern in den Mittelpunkt stellen.

„Sie müssen Mah-Jongg lernen!”

Mah-Jongg entwickelt sich zum gesellschaftlichen Muss auch abseits von „Geselligkeits-Klubs“, wie zahlreiche „Erlebnisberichte“ dokumentieren. „‚Sie müssen Mah-Jongg lernen!‘, flötete die Hausfrau. ‚Sie dürfen sich nicht ausschließen! Das Spiel ist ent-zük-kend und so einfach!‘“, berichtet der Schriftsteller Otto Roeld ironisch von seinen nicht so einfachen Erfahrungen. Mah-Jongg-Lehrer inserieren in den Zeitungen, Tourniere finden statt, Klubs wachsen aus dem Boden, Lehrbücher werden publiziert. Fritz Löhner-Beda beschäftigt sich in seinen Schlagern immer mit aktuellen Moden aller Arten – und so verwundert es nicht, dass er 1924 gemeinsam mit dem Komponisten Jara Beneš seinen Blues Mah-Jong veröffentlicht.

Die Gründe dieser enormen Popularisierung liegen jedoch auch in der wirtschaftlichen Lage: Ein Barbesuch wird für die meisten Menschen unerschwinglich, daher bieten viele Bars ein neues billigeres Vergnügen an: die Favoriten Bridge und Mah-Jongg. „Die Dame der Gesellschaft empfängt nicht mehr Hause, man trifft sich zum Spiel in der Bar. Umständliche und teure Einladungen werden vermieden, und das gesellschaftliche Leben Wiens wird neue Impulse erhalten. Unsre spiellustigen Frauen haben ihr Refugium gefunden.“

Tradition bis heute

Zwei Jahre später endet der kurze Hype auch schon wieder, die schnelllebige Zeit verlangt ununterbrochen nach neuen Anregungen und Beschäftigungen. Mah-Jongg gerät in Vergessenheit, doch noch heute gibt es zumindest einen Haushalt im Salzkammergut, wo zum Ritual der Sommerfrische das abendliche Mah-Jongg Spiel zählt. Und dieser befindet sich bei uns im Abtenauerhaus.

Teile diesen Beitrag

Neueste Beiträge

Archive

Seit 90 Jahren spielen wir fast jeden Abend Mah Jongg.

Woher kommt das? Dazu ein Ausschnitt aus meinem Ischl-Villen-Buch:

124 Steine mit bunten Bildern, gespielt von vier Personen. Das machen den um sich greifenden Mah-Jongg-Rausch aus, „der stärker als die Grippe auf dem ganzen Erdball grassiert.“ Die Zeitungen berichten laufend über die Geschichte und Spieldetails, offenbar amüsiert und erstaunt zugleich über diesen Hype. In China bestehen die Steine aus teurem Elfenbein, in Österreich entsteht eine praktikabler Variante aus Holz. „Dieses Erzeugnis verrät seine österreichische Abstammung schon dadurch, daß die Aufschriften teils aus chinesischen Schriftzeichen, teils aus arabischen Ziffern und teils aus in lateinischen Lettern angebrachten Abkürzungen englischer Bezeichnungen gebildet sind; ein schöneres Sprachengewirr hat nicht einmal das alte Österreich aufzuweisen gehabt.“

Ein Glücksspiel, dessen Einsätze nicht allzu hoch sind, und sich daher großer Beliebtheit erfreut. Auch wenn es wohl nicht das einzige Glücksspiel ist, dem im Ischler Kasino gefrönt wird, wird es doch zu einem Anziehungspunkt für Falschspieler, Hazadeure und windige Gestalten. Doch die Abgaben, an denen die Gemeinde Ischl gut verdient, werden – jedenfalls zum Teil – abgeliefert und so sehen sich die Behörden nicht gezwungen einzugreifen und lassen die Spieler gewähren. Ischl bekommt fast ein mondänes Gepräge und erhält sogar das ein oder andere Mal den Beinamen „Monte Carlo“, fast schon ein Adelsprädikat in Spielerkreisen. Geworben wird mit Inseraten in den Ischler Kurlisten, die jedoch das vergleichsweise harmlose neue Modespiel in großen Lettern in den Mittelpunkt stellen.

„Sie müssen Mah-Jongg lernen!”

Mah-Jongg entwickelt sich zum gesellschaftlichen Muss auch abseits von „Geselligkeits-Klubs“, wie zahlreiche „Erlebnisberichte“ dokumentieren. „‚Sie müssen Mah-Jongg lernen!‘, flötete die Hausfrau. ‚Sie dürfen sich nicht ausschließen! Das Spiel ist ent-zük-kend und so einfach!‘“, berichtet der Schriftsteller Otto Roeld ironisch von seinen nicht so einfachen Erfahrungen. Mah-Jongg-Lehrer inserieren in den Zeitungen, Tourniere finden statt, Klubs wachsen aus dem Boden, Lehrbücher werden publiziert. Fritz Löhner-Beda beschäftigt sich in seinen Schlagern immer mit aktuellen Moden aller Arten – und so verwundert es nicht, dass er 1924 gemeinsam mit dem Komponisten Jara Beneš seinen Blues Mah-Jong veröffentlicht.

Die Gründe dieser enormen Popularisierung liegen jedoch auch in der wirtschaftlichen Lage: Ein Barbesuch wird für die meisten Menschen unerschwinglich, daher bieten viele Bars ein neues billigeres Vergnügen an: die Favoriten Bridge und Mah-Jongg. „Die Dame der Gesellschaft empfängt nicht mehr Hause, man trifft sich zum Spiel in der Bar. Umständliche und teure Einladungen werden vermieden, und das gesellschaftliche Leben Wiens wird neue Impulse erhalten. Unsre spiellustigen Frauen haben ihr Refugium gefunden.“

Tradition bis heute

Zwei Jahre später endet der kurze Hype auch schon wieder, die schnelllebige Zeit verlangt ununterbrochen nach neuen Anregungen und Beschäftigungen. Mah-Jongg gerät in Vergessenheit, doch noch heute gibt es zumindest einen Haushalt im Salzkammergut, wo zum Ritual der Sommerfrische das abendliche Mah-Jongg Spiel zählt. Und dieser befindet sich bei uns im Abtenauerhaus.

Neueste Beiträge

Archive

Teile diesen Beitrag