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Das Magazin Nu berichtet über den Neustart als Direktorin des Theatermuseums Wien!

Aus meiner Korrespondenz mit dem Autor Philippe Sands über sein Buch „Die Rattenlinie“  entstand ein Artikel, den der New Yorker  veröffentlichte.

Dreiste Habgier prägte 1938 den noblen Vorort
Marie-Theres Arnbom: „Die Villen von Pötzleinsdorf“, Amalthea Verlag, 272 Seiten, 26 €. (c) Amalthea Verlag

Ein schmuckes Buch erzählt Unschönes über manche Villa in Wien-Pötzleinsdorf.

Marie-Theres Arnbom ist eine flotte Erzählerin, aber eine recht unangenehme Nachforscherin. Das hat sie schon mit ihrem Werk über die Traunsee-Villen bewiesen. Jetzt hat sie ihr unmittelbares Lebensumfeld, Pötzleinsdorf, durchwandert. Wer aber auf einen nostalgischen Spaziergang zu den hübschesten Villen dieser noblen Gegend im 18. Gemeindebezirk hofft, wird enttäuscht, erbost, zumindest sehr betroffen sein. Und genau das bezweckt Marie-Theres Arnbom.

Denn es sind fast durchwegs gallbittere Erzählungen über menschliche Tragödien, die sich in dieser einstigen Sommerfrische vor Wien abgespielt haben, den viele reich gewordene Bürger zum Wohnsitz erwählt hatten. Darunter befanden sich jüdische Familien des Großbürgertums wie die Brochs, die Regenstreifs, Lemberger, Marmorek.

Als das Jahr 1938 alle bisher geltenden Wertvorstellungen auf den Kopf stellt, zeigen sich rasch bodenlose Rachsucht, unverhüllte Bosheit, flammender Neid und schlaue Hinterlist. Dieser Einsatz an Unverschämtheit zahlt sich aus, immerhin geht es um den dreisten Raub einiger herrschaftlicher Villen. 31 davon werden uns nähergebracht.

Fast alle haben überdauert, ihre Besitzerfamilien hingegen wurden in alle Winde zerstreut, Nachkommen meistens mit einem Bettel abgefunden, eine spezielle Wiener Könnerschaft nach 1945. Nichts mehr zu sehen ist hingegen von der Villa Regenstreif, wahrlich das prächtigste Gebäude entlang der Pötzleinsdorfer Straße. Die Liegenschaft erstreckte sich bis hinauf zur Starkfriedgasse, ein eindrucksvoller Park entstand um 1900. Den Reichtum verdankte die Familie Eissler dem Holz in Bosnien. Mit diesem unentbehrlichen Energieträger wurde Robert Josef Eissler unermesslich reich, was ihn 1923 das Leben kosten sollte. Sein Cousin und stiller Teilhaber Otto erschoss ihn in seinem Kontor am Lueger-Platz. Fritz Regenstreif, ein Kompagnon, kann den Besitz mit seiner Familie bis zu seinem Tod 1941 genießen, welchen Preis er dem Regime zu zahlen hatte, ist unbekannt. Mit seinem Tod erlischt jedoch das Abkommen, die Tochter kann mit drei Söhnen nach Italien flüchten, vorher verschenkt sie alles an Nachbarn.

1948 können die Nachkommen die devastierte Villa nur noch um einen Pappenstiel verkaufen. Ein Großbrand erledigt den Rest. Heute steht dort ein Studentenheim der Wirtschaftskammer. In diesem gesichtslosen Zweckbau begann übrigens die Karriere eines Jusstudenten aus Bad Goisern. Er sollte nach einer atemberaubenden Berg- und Talfahrt 2008 als Landeshauptmann von Kärnten im VW-Phaeton den Tod finden . . .

In der Pötzleinsdorfer Straße 123, also schon „weit draußen“, wie die Gersthofer zu sagen pflegen, hatte die Familie Winterstein ihren Lebensmittelpunkt. Robert Winterstein machte in der Zwischenkriegszeit Karriere als Staatsanwalt, dann als Generalanwalt und wurde als Minister des Schuschnigg-Regimes 1938 sofort von der Gestapo verhaftet.

Am 25. September wird er in Buchenwald eingeliefert und im Steinbruch erfüllt sich sein Schicksal. Mit rauchender Zigarette, die Arme weit ausgebreitet, geht er auf die Postenkette zu und fordert die erschrockenen Wächter auf, ihn zu töten. Erst beim dritten Mal zieht ein Scharführer seine Pistole und schießt den 67-Jährigen nieder. „Auf der Flucht erschossen“, heißt es offiziell. Marie-Theres Arnbom ist seine Urenkelin.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 06.06.2020)

Marie-Theres Arnbom: DIE VILLEN VON PÖTZLEINSDORF

12.05.2020

Marie-Theres Arnbom
DIE VILLEN VON PÖTZLEINSDORF
Wenn Häuser Geschichten erzählen
272 Seiten, Amalthea Verlag, 2020

Autorin Marie-Theres Arnbom hat sich schon erfolgreich auf die Spuren von Villen in Bad Ischl, am Attersee und am Traunsee gesetzt. Es ist ihre Spezialität geworden, anhand von diesen Adressen an den noblen Ferienorten Schicksalen nachzuspüren, wobei sich ein Großteil der Villen, um die es geht, in jüdischem Besitz befanden. Das ist bei Pötzleinsdorf nicht anders. Und wenn man meint, sich ja nun „in Wien“ zu befinden, so irrt man. Zu der Zeit, als die meisten Villen im heutigen 18. Bezirk bezogen wurden, war man da noch „am Land“, eine Ansichtskarte, die das Buch ziert, ist aus der „Sommerfrische Pötzleinsdorf“ geschickt worden.

Es gab eine „heimische“ Landbevölkerung, die den „Zugereisten“ nicht immer wohlwollend gegenüber stand. Sie mochten es eben nicht, von den „Städtern“ als altmodisch und unzeitgemäß belächelt zu werden. Und erst langsam blieben die Herrschaften, die von ihren Innenstadt-Adressen sommers nach „Pötzleinsdorf“ gezogen kamen, ganzjährig „draußen“. Ein bisschen „draußen“ ist es ja heute noch immer…

Marie-Theres Arnbom ist in Pötzleinsdorf aufgewachsen, in einer der genannten Villen, in anderen wohnten ihre Schulfreunde, deren Eltern, Großeltern. Der Vor- und Nachsatz des Buches bietet eine Karte, wie man die Gegend – von Gersthof ausgehend – entlang der Pötzleinsdorferstraße selbst erobern kann, links und rechts ausweichend, bis in die Nähe des Neustifter Friedhofs oder auch des Pötzleinsdorfer Schlossparks. Nach den anschaulichen Schilderungen nimmt man es sich fest vor, auch wenn es manche der Villen, die man noch im Foto sieht, nicht mehr gibt. Und sehr viele ihrer Besitzer (und deren Nachkommen) auch nicht mehr – gar nicht, bzw. nicht hier.

Denn wie man es auch von den anderen „Villen“-Büchern her kennt, erfolgte im Fall von jüdischen Besitzern auch hier nach 1938 der totale Kahlschlag – und nach 1945 wiederholten sich die beschämenden und demütigenden Geschichten, wie gering die Bereitschaft der Wiener war, den Erben der vertriebenen Juden ihren Besitz zurück zu stellen. Wer sich nicht auf schäbige Kompromisse einließ, verblutete sich oft in Prozessen.

Dass das Wien der Jahrhundertwende fraglos „multikulti“ war, weiß man. Gleich die erste von insgesamt 31 Adressen gilt – „Türken“. Wenn man das angesichts einer so bunten Herkunft sagen kann. Die Familie Akif kam aus Saloniki, war durch Handel reich geworden, mit den Griechen aus der Türkei ausgewiesen, wobei es sich bei ihnen allerdings um „Dönme“ handelte, um zum Islam bekehrte Juden… die dann in Wien einen Platz fanden, bis sie 1939 zurück in die Türkei auswanderten. Das war noch sicherer als die Nazi-Welt…

Man begegnet zahllosen Familien und ihren bunten, verzweigten Geschichten. Der Familie Broch, die am Balkan viel Geld machte und ahnte, wie vielversprechend der Tourismus war. Da sind die Regenstreifs, deren Villa ein kleiner Palast war (Magda Goebbels hätte sie gern gehabt) – und an deren Stelle heute ein scheußlicher Bau steht (es war die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die die Villa 1965 abreißen ließ). Die Familie Spiegler, die im Leben von Gustav Mahler eine große Rolle spielte. Die Familie Hochmuth, eng verbunden mit der Wiener Messe. Die Schweinburgs, deren Villa als Gebäude auch nicht überlebt hat: Sie betrieben mehrere Theater in Wien, das Bürgertheater, die Kammerspiele, das Johann-Strauß-Theater. Eine andere Theater-Dynastie waren die Danzers, die das von Otto Wagner erbaute Harmonie-Theater (in dem Grätzel Währingerstraße / Wasagasse) zu „Danzers Orpheum“ umbenannten und dort sensationelle Erfolge erlebten.

Auch Künstler lebten in Pötzleinsdorf, wobei Oskar Marmorek nicht der einzige Architekt in seiner Familie war, wenn auch der berühmteste. Die Familienmitglieder bauten einige der Pötzleinsdorfer Villen, fungierten auch als Baumeister, handelten mit Baumaterialien. Hermann Mosenthal hat nicht nur das (höchst gelungene) Libretto zu Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ verfasst, sondern auch zahlreiche wichtige Stücke, die teilweise über das Schicksal der Juden reflektierten.

Es geht um Geschäfte und Insolvenzen, Riesenvermögen und Bankenkräche, nicht alles Geld war edel erworben, man liest auch von Spekulanten und Glücksrittern. Es geht aber ebenso wichtig um persönliche Beziehungen, vor allem um familiäre Bindungen – einfach durch Heirat springt die Geschichte einer Villa immer wieder zu einer anderen über. Mancher reiche Mann setzte seinen Ehrgeiz darein, jedem seiner Kinder eine Villa, möglichst in Pötzleinsdorf, zu vermachen… Man kannte sich, ein (großteils jüdisches) Großbürgertum vernetzte sich.

So kamen die Mautner (hochrangige Stoffe), die das Geymüller-Schlößl kauften, durch Ehe mit den Kalbecks zusammen (Marie Mautner heiratete Paul Kalbeck, dessen erste Frau Helene Thimig gewesen war, die dann Max Reinhardt ehelichte… ein wahrer Reigen). Hofschauspielerin Hedwig Bleibtreu und ihr Mann Harald Paulsen (der später als Peter Petersen noch Filmkarriere machte) zählten auch zu den Pötzleinsdorfer Theaterpromis.

Von den Villen als Gebäuden ist nur in zweiter Linie und nicht immer die Rede. Auch, weil sie oft schon bestanden, als ihre berühmten Besitzer sie erwarben. Einige allerdings ließen auch bauen – Simon Ungar, Besitzer einer erfolgreichen Schneiderei, beauftragte Architekt Friedrich Schön 1901 mit dem Bau einer Villa, die schon stilistisch diskreter ausfiel, während Jakob Gartner im imposanten Ringstraßenstil baute. Und das Ehepaar Anni und Hans Moller (Textilfabrikant) beauftragte gar Adolf Loos mit dem Bau ihrer Villa.

Man ist mitten drin in der Wiener Lokal- und Sozialgeschichte (man erfährt auch, wieso sich der US-Geheimdienst in einer Pötzleinsdorfer Villa einnisten konnte), und man denkt noch einmal an die Menschen, von denen sich nur wenige retten konnten. Und die oft mit nichts in die Emigration gingen als damit, was ihnen Wien in besserer Zeit mitgegeben hatte – ihre Bildung, ihre Ausbildung, meist die Liebe zur Musik, Pünktlichkeit, Respekt vor der Familie… Damit ließen sie Pötzleinsdorfer Villen hinter sich und gingen Österreich verloren. Wenigstens werden hier noch einmal ihre Geschichten und viele alte Fotos hervor geholt.

Renate Wagner

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Am Beispiel der “Arisierungen” an der Wiener Volksoper im Jahre 1938 geht Axel Brüggemann in dieser Ausgabe von “Alles klar, Klassik?” der Frage nach: Was Kultur und Oper 2023 noch gegen aufkommenden Nationalismus und Antisemitismus ausrichten können. Anlass ist die Aufführung “Lass uns die Welt vergessen – Volksoper 1938” aus Anlass des 125jährigen Jubiläums des Hauses. In den ersten Monaten des Jahres 1938 drang das aktuelle politische Leben in die Volksoper ein: Hitler plante den Eimarsch nach Österreich, und die Proben zur Operette “Gruß und Kuss aus der Wachau” wurden massiv beeinflusst. Die Inszenierung an der Volksoper zeichnet die Situation nach: Was machen Intoleranz, Diskriminierung und Faschismus damals mit den Mitarbeiter:innen der Volksoper? Und vor allen Dingen: Was kann die Musik heute noch gegen Nationalismus ausrichten. Das diskutiert Axel Brüggemann mit der Historikerin Marie-Theres Arnbom, dem Regisseur Theu Boermans und der Dirigentin Karen Kagarlitsky.

In der SONNTAGs-Jause hat Marie-Theres Arnbom einen Englischen Teekuchen gebacken. Mit Chefredakteurin Sophie Lauringer spricht sie über untergangene Welten jüdischer Kultur und über “Sissi”.

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Marie-Theres Arnbom @Silke Ebster
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