“Die Hölle”. Orient und Okzident

Nun kann ich mich wieder auf das neue Abenteuer Pötzleinsdorf konzentrieren, das noch ein bißl mit der „Hölle“ konkurrenzieren muss. Und die bietet heuer wieder Spannendes, eine Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident, ausgedrückt in Liedern seit dem Jahr 1897 – ohne Berührungsängste, mit liebevoll-spöttischem Ton, in Schlagern und Operetten. Ein spannendes Thema, das unkommentiert heute kaum zu vermitteln ist. Eine traurig stimmende Entwicklung. Doch wir schlagen die Brücke und stellen den Orient mit Respekt und einem humorvollen Zwinkern dar. Da gibt es die Operettensujets rund um die sagenumwobene Stadt Schiras, da wird Konstantinopel ebenso besungen wie Stambul, es wimmelt vor Rosen und Prinzen und natürlich Haremsdamen, die auch manchmal den Aufstand wagen.

Und dazu gibt es eine besondere Freude: Sir David Natzler, ein Nachkomme der Gründerväter, kommt aus London nach Wien, um eine Vorstellung zu sehen, aber um vor allem seine Verwandten in Wien kennenzulernen. Und ich darf dieses erstmalige Zusammenkommen organisieren. Was für eine Freude, immer wieder Familien zusammenzuführen, Verwandte miteinander in Verbindung zu bringen. Ein ganz besonderer Aspekt meiner Arbeit und Forschung.

Die Welt der Dönme

Ein neuerworbenes Buch führt mich tief hinein in die Welt der Dönme. Wer diese waren, war mir selbst unbekannt. Doch ich wusste aus Erzählungen meiner Großmutter, dass sie eine Freundin aus einer türkischen Familie hatte, die in einer Villa auf der Pötzleinsdorfer Allee wohnte. Und die Familie hieß Akif. Soweit, so gut. Ich gebe zu, dass das eher dünne Informationen waren, doch bei der Durchsicht der Meldezettel ist mir der Vorname der Freundin wieder eingefallen: Messoureh. Sie war Studentin, vier Jahre älter als meine Großmutter und hat 1935 in die Schweiz geheiratet. Mehr wusste ich nicht. Und dann habe ich mich ein wenig mehr mit der Familie Akif beschäftigt und bin auf Erstaunliches gestoßen: Sie waren Dönme, eine ursprünglich jüdische Familie. Gibt’s das? Sogar muslimische Familien entpuppen sich in meinem Kontext als jüdisch. Ein spannendes Buch bringt mich dieser Welt näher – und führt mich doch in vertraute Gefilde. Denn all das, was in den Dönme Schulen Salonikis vermittelt wird, entspricht dem Lehrplan der Schule Eugenie Schwarzwalds in Wien. Verrückt! Die liberalen, offen, toleranten Tendenzen entstehen überall – und finden offenbar auch zusammen. Was für ein spannendes Thema, das sich hier auftut. Und ich hoffe sehr, dass ich über den Autor des Dönme-Buches Kontakt zu den Nachkommen bekomme, um Photos und Geschichten in mein Buch integrieren zu können.

Der Genius loci des Geymüller-Schlössels

Das war nur die erste Erkenntnis des heutigen Tages. Die zweite erfolgte bei einer Führung durch das Geymüller-Schlössel. Ich wollte den Genius Loci erspüren, bin durch die Räume geschlendert, hab mich mit der überaus freundlichen und kundigen Führerin unterhalten und versucht, den Geist dieses Hauses aufzunehmen. Nicht, dass mir das Haus so fremd wäre, es war nicht mein erster Besuch. Aber nun im Hinblick auf die Wurzeln der Familie Geymüller, die große Zeit der Familie Mautner und den Niedergang beider Familien erspürt sich die Atmosphäre ganz neu. Durch den Park flanierend stelle ich mir die großen Feste früher oder später vor – und weiß, dass in späteren Zeiten meine Urgroßeltern dort ebenfalls zu Gast waren. Ob es Gästebücher oder Photoalben gibt? Die Antwort werden hoffentlich Treffen mit mehreren Nachkommen geben – in Pötzleinsdorf und der Hinterbrühl. Und natürlich auch mit Nachkommen in Amerika. Alle freuen sich, dass sich jemand für die Familie interessiert – und die persönliche Verbindung zwischen den Mautners und meiner Familie existiert außerdem. Ich gehe also durch die Räume, überlege, welcher Salon wohl welche Funktion hatte, ob das Schlafzimmer tatsächlich an der heutigen Stelle war, wo die Kinder ihre Zimmer hatten und auch das Personal. Ein gemütliches Haus, drei Salon zum Garten, eine weiterer auf der Straßenseite als Entrée, flankiert von zwei weiteren, plus einem entzückenden blauen Salon mit einer Tapete, die tief in indische Landschaften führt. Diesen Salon haben die Mautners angebaut und somit die äußere Symmetrie zerstört – doch bietet der Anbau wesentlich weniger Platz als erwartet: Dieser Salon und ein kleiner Wintergarten entstehen, darüber ein Dachterrasse. Die Fassadengestaltung entspricht dem ursprünglichen Haus, es gibt also keinen Stilbruch. Wenig erinnert an die Mautners, viel an die ursprüngliche Biedermeierzeit. Wunderschöne Möbel mit Geheimnissen, großartige Uhren und Automaten – eine Rückbesinnung auf die Ursprünge, aber nicht auf die Gesamtgeschichte. Oder jedenfalls unter Auslassung eines Teiles der Geschichte.

Wie auch immer – der Blick ins Haus, in den Garten, aus dem Garten zum Haus lässt Bilder vergnügter Feste entstehen, aber auch gemütlicher Familienzusammenkünfte, musikalischer Abende und der damals so beliebten Scharaden. Eine vergangene Welt.

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“Die Hölle”. Orient und Okzident

Nun kann ich mich wieder auf das neue Abenteuer Pötzleinsdorf konzentrieren, das noch ein bißl mit der „Hölle“ konkurrenzieren muss. Und die bietet heuer wieder Spannendes, eine Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident, ausgedrückt in Liedern seit dem Jahr 1897 – ohne Berührungsängste, mit liebevoll-spöttischem Ton, in Schlagern und Operetten. Ein spannendes Thema, das unkommentiert heute kaum zu vermitteln ist. Eine traurig stimmende Entwicklung. Doch wir schlagen die Brücke und stellen den Orient mit Respekt und einem humorvollen Zwinkern dar. Da gibt es die Operettensujets rund um die sagenumwobene Stadt Schiras, da wird Konstantinopel ebenso besungen wie Stambul, es wimmelt vor Rosen und Prinzen und natürlich Haremsdamen, die auch manchmal den Aufstand wagen.

Und dazu gibt es eine besondere Freude: Sir David Natzler, ein Nachkomme der Gründerväter, kommt aus London nach Wien, um eine Vorstellung zu sehen, aber um vor allem seine Verwandten in Wien kennenzulernen. Und ich darf dieses erstmalige Zusammenkommen organisieren. Was für eine Freude, immer wieder Familien zusammenzuführen, Verwandte miteinander in Verbindung zu bringen. Ein ganz besonderer Aspekt meiner Arbeit und Forschung.

Die Welt der Dönme

Ein neuerworbenes Buch führt mich tief hinein in die Welt der Dönme. Wer diese waren, war mir selbst unbekannt. Doch ich wusste aus Erzählungen meiner Großmutter, dass sie eine Freundin aus einer türkischen Familie hatte, die in einer Villa auf der Pötzleinsdorfer Allee wohnte. Und die Familie hieß Akif. Soweit, so gut. Ich gebe zu, dass das eher dünne Informationen waren, doch bei der Durchsicht der Meldezettel ist mir der Vorname der Freundin wieder eingefallen: Messoureh. Sie war Studentin, vier Jahre älter als meine Großmutter und hat 1935 in die Schweiz geheiratet. Mehr wusste ich nicht. Und dann habe ich mich ein wenig mehr mit der Familie Akif beschäftigt und bin auf Erstaunliches gestoßen: Sie waren Dönme, eine ursprünglich jüdische Familie. Gibt’s das? Sogar muslimische Familien entpuppen sich in meinem Kontext als jüdisch. Ein spannendes Buch bringt mich dieser Welt näher – und führt mich doch in vertraute Gefilde. Denn all das, was in den Dönme Schulen Salonikis vermittelt wird, entspricht dem Lehrplan der Schule Eugenie Schwarzwalds in Wien. Verrückt! Die liberalen, offen, toleranten Tendenzen entstehen überall – und finden offenbar auch zusammen. Was für ein spannendes Thema, das sich hier auftut. Und ich hoffe sehr, dass ich über den Autor des Dönme-Buches Kontakt zu den Nachkommen bekomme, um Photos und Geschichten in mein Buch integrieren zu können.

Der Genius loci des Geymüller-Schlössels

Das war nur die erste Erkenntnis des heutigen Tages. Die zweite erfolgte bei einer Führung durch das Geymüller-Schlössel. Ich wollte den Genius Loci erspüren, bin durch die Räume geschlendert, hab mich mit der überaus freundlichen und kundigen Führerin unterhalten und versucht, den Geist dieses Hauses aufzunehmen. Nicht, dass mir das Haus so fremd wäre, es war nicht mein erster Besuch. Aber nun im Hinblick auf die Wurzeln der Familie Geymüller, die große Zeit der Familie Mautner und den Niedergang beider Familien erspürt sich die Atmosphäre ganz neu. Durch den Park flanierend stelle ich mir die großen Feste früher oder später vor – und weiß, dass in späteren Zeiten meine Urgroßeltern dort ebenfalls zu Gast waren. Ob es Gästebücher oder Photoalben gibt? Die Antwort werden hoffentlich Treffen mit mehreren Nachkommen geben – in Pötzleinsdorf und der Hinterbrühl. Und natürlich auch mit Nachkommen in Amerika. Alle freuen sich, dass sich jemand für die Familie interessiert – und die persönliche Verbindung zwischen den Mautners und meiner Familie existiert außerdem. Ich gehe also durch die Räume, überlege, welcher Salon wohl welche Funktion hatte, ob das Schlafzimmer tatsächlich an der heutigen Stelle war, wo die Kinder ihre Zimmer hatten und auch das Personal. Ein gemütliches Haus, drei Salon zum Garten, eine weiterer auf der Straßenseite als Entrée, flankiert von zwei weiteren, plus einem entzückenden blauen Salon mit einer Tapete, die tief in indische Landschaften führt. Diesen Salon haben die Mautners angebaut und somit die äußere Symmetrie zerstört – doch bietet der Anbau wesentlich weniger Platz als erwartet: Dieser Salon und ein kleiner Wintergarten entstehen, darüber ein Dachterrasse. Die Fassadengestaltung entspricht dem ursprünglichen Haus, es gibt also keinen Stilbruch. Wenig erinnert an die Mautners, viel an die ursprüngliche Biedermeierzeit. Wunderschöne Möbel mit Geheimnissen, großartige Uhren und Automaten – eine Rückbesinnung auf die Ursprünge, aber nicht auf die Gesamtgeschichte. Oder jedenfalls unter Auslassung eines Teiles der Geschichte.

Wie auch immer – der Blick ins Haus, in den Garten, aus dem Garten zum Haus lässt Bilder vergnügter Feste entstehen, aber auch gemütlicher Familienzusammenkünfte, musikalischer Abende und der damals so beliebten Scharaden. Eine vergangene Welt.

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