Plakat Swing tanzen verboten

Operette und Unterhaltungsmusik nach 1933

Eine Ausstellung von EntarteOpera in Kooperation mit dem Brucknerfest Linz in der Tabakfabrik Linz 2014

Artikel auf der Website des Operetta Research Center

Das Buch zur Ausstellung ist im Armin Berg Verlag erschienen. 

Das Jahr 1933 bedeutet einen gewaltigen Einschnitt auch für die Unterhaltungskultur. Diese ist im Besonderen von moderner Tanzmusik, Einflüssen aus Amerika, frivol-humoristischen Texten und jüdischen Komponisten, Librettisten und Interpreten geprägt. All dies ist den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge: Rückbesinnung auf „heimische“ Melodien, auf „arische“ Künstler und „brave“ Texte stehen im krassen Gegensatz zu einer der erfolgreichsten Phasen der mitteleuropäischen Unterhaltungsbranche, die weltoffen und modern Die jüdischen Künstler werden vertrieben, verhaftet und ermordet – und mit ihnen eine ganze unwiederbringliche Kultur.Die Ausstellung ist dreigeteilt: „Arisierte“ Unterhaltungsmusik stellt die Unterhaltungskultur nach 1933 und die Propaganda in Deutschland in den Mittelpunkt, „Vertriebene“ Unterhaltungsmusik den Brain Drain in die USA und andere Länder, die Zuflucht bieten, und „Verfolgte“ Unterhaltungsmusik all die Künstler, die ermordet werden und selbst noch in den Konzentrationslagern Unterhaltungsmusik aufführen und komponieren.In Deutschland müssen Ersatzwerke geschaffen werden, um die große Nachfrage nach Operette und Unterhaltungsmusik weiter zu befriedigen. So wird aus Emmerich Kálmáns Gräfin Mariza Nico Dostals Ungarische Hochzeit, Paul Abrahams Ball im Savoy wandelt sich zu Fred Raymonds Maske in Blau und die Kulissen zu Erik Charells Weißem Rössl müssen eine Weiterverwendung finden. Fred Raymond schreibt daher Saison in Salzburg.Komponisten, Librettisten und Interpreten finden Zuflucht in den USA, doch nur wenigen gelingt es, dort künstlerisch zu reüssieren und den in Europa begonnen Erfolg fortzusetzen. In England entsteht die einzige Operette, die die Nazi-Verfolgung thematisiert: Ivor Novellos The dancing years aus dem Jahr 1939.In einigen Konzentrationslagern werden Operetten aufgeführt: Von den Häftlingen für andere Häftlinge oder aber für die Wachmannschaften. Außerdem hat jedes Lager seine „Lagerhymne“, so schaffen Hermann Leopoldi und Fritz Löhner-Beda das berühmte Buchenwald-Lied.Nach 1945 gibt es in Europa so gut wie keinen Bruch: Kontinuität steht im Mittelpunkt, das Bestreben, die vertriebene Kultur wieder zu beleben, ist enden wollend – die Biederkeit der 1950er Jahre setzt die Nazi-Ideologie auf ihre Weise fort: Für Jazz und moderne Tanzmusik besteht nur wenig Interesse. Erst seit einigen Jahren erwacht wieder das Interesse für die Modernität der Zwischenkriegszeit – eine Chance, ein ganzes Genre zu rehabilitieren und ihren Schöpfern die Geschichte zurückzugeben.