Tante Traudl

Erst 20 Tage ist es her, seit wir diese fröhlichen Photos gemacht haben voller Freude an der Musik, am Zusammensein, am Besuch in St. Gilgen – und doch ahnend, dass dies wohl das letzte Mal sein würde. Zentrum, Herz und Seele dieser Unternehmungen, die wir seit 30 Jahren immer als Sommersaisonabschluss machten, war unsere Tante Traudl. Fröhlich, lebensfroh, großzügig, voller Humor und Witz, immer ein Gedicht auf den Lippen und in der Feder genoss sie es, anderen Freude zu bereiten. Sie blühte auf in Gesellschaft, liebte Musik (ohne jedoch ihren kritischen Blick zu verlieren), genoss lange Abende (bei denen ich streikte), liebte unser Abtenauerhaus in St. Gilgen und besuchte es und uns Jahr für Jahr. Die Mondseetage waren unser gemeinsamer Fixpunkt, wir verbrachten diese Woche voller Musik seit Jahrzehnten. In den ersten Jahren immer begleitet von der bangen Frage der sogenannten Entourage: „Ist das Wasser schon im Haus?“ Denn vor zwanzig Jahren regnete es Anfang September meistens ohne Unterlass und ich verließ oft genug das Haus mit Gummistiefeln, um dann in Mondsee das Schuhwerk zu wechseln und am Abend mit Stiefeln wieder ins überschwemmte Haus zurückzukehren.

1991 hatten wir eine Hochzeitsliste bei Lobmeyr. Und waren fassungslos: Denn Tante Traudl schenkte uns alle Gläser. Dies wiederholte sich 2006 bei meiner zweiten Hochzeit. Sie liebte es, großzügig Freude zu bereiten.

Unvergesslich bleibt mir Tante Traudls 80. Geburtstag in einem Marmorsaal des Palais Schwarzenberg. Die Akustik war schwierig, die vielen Hörgeräte kaum imstande, sich diesem Ambiente anzupassen. Und so schwoll der Lärmpegel mehr und mehr an, es war kaum mehr möglich, sich mit dem Nachbarn zu unterhalten – und doch: Es wurde ein rauschendes Fest, das jeder Gast mit einer kleinen Augartenvase als Erinnerung verließ. Eines der vielen Zeichen für Tante Traudls Großzügigkeit.

Schon Tante Traudls Mutter, unsere sehr geliebte Tante Dietz, spielte in meinem Leben eine wichtige Rolle: Sie nahm mich, die Gymnasiastin, immer ins Philharmonische mit, wohl ahnend, dass diese Saat in meinem Leben gut aufgehen würde. Recht hat sie gehabt.

Tante Dietz‘ Mutter Emmy und ihre Schwester Lilly, meine Urgroßmutter, wuchsen im Haus Babenbergerstraße 1 auf. Im 3. Stock. Im Erdgeschoss befand sich die Familienfirma, der Herrenausstatter Carl Berecz. Heute befinden sich in diesem Haus mehrere Büros des Kunsthistorischen Museums. Und immer, wenn ich zu Besprechungen dort bin, denke ich an Lilly und Emmy, die schon vor mehr als 130 Jahren dieselben Stufen hinauf und hinunter sprangen und aus ihren Fenstern die jungen Erzherzöge und Prinzessinnen im Burggarten beobachten konnten.

So schließen sich viele Kreise. Übrig bleiben Freude, Glück und Dankbarkeit. Ruhe in Frieden, Tante Traudl.

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Tante Traudl

Erst 20 Tage ist es her, seit wir diese fröhlichen Photos gemacht haben voller Freude an der Musik, am Zusammensein, am Besuch in St. Gilgen – und doch ahnend, dass dies wohl das letzte Mal sein würde. Zentrum, Herz und Seele dieser Unternehmungen, die wir seit 30 Jahren immer als Sommersaisonabschluss machten, war unsere Tante Traudl. Fröhlich, lebensfroh, großzügig, voller Humor und Witz, immer ein Gedicht auf den Lippen und in der Feder genoss sie es, anderen Freude zu bereiten. Sie blühte auf in Gesellschaft, liebte Musik (ohne jedoch ihren kritischen Blick zu verlieren), genoss lange Abende (bei denen ich streikte), liebte unser Abtenauerhaus in St. Gilgen und besuchte es und uns Jahr für Jahr. Die Mondseetage waren unser gemeinsamer Fixpunkt, wir verbrachten diese Woche voller Musik seit Jahrzehnten. In den ersten Jahren immer begleitet von der bangen Frage der sogenannten Entourage: „Ist das Wasser schon im Haus?“ Denn vor zwanzig Jahren regnete es Anfang September meistens ohne Unterlass und ich verließ oft genug das Haus mit Gummistiefeln, um dann in Mondsee das Schuhwerk zu wechseln und am Abend mit Stiefeln wieder ins überschwemmte Haus zurückzukehren.

1991 hatten wir eine Hochzeitsliste bei Lobmeyr. Und waren fassungslos: Denn Tante Traudl schenkte uns alle Gläser. Dies wiederholte sich 2006 bei meiner zweiten Hochzeit. Sie liebte es, großzügig Freude zu bereiten.

Unvergesslich bleibt mir Tante Traudls 80. Geburtstag in einem Marmorsaal des Palais Schwarzenberg. Die Akustik war schwierig, die vielen Hörgeräte kaum imstande, sich diesem Ambiente anzupassen. Und so schwoll der Lärmpegel mehr und mehr an, es war kaum mehr möglich, sich mit dem Nachbarn zu unterhalten – und doch: Es wurde ein rauschendes Fest, das jeder Gast mit einer kleinen Augartenvase als Erinnerung verließ. Eines der vielen Zeichen für Tante Traudls Großzügigkeit.

Schon Tante Traudls Mutter, unsere sehr geliebte Tante Dietz, spielte in meinem Leben eine wichtige Rolle: Sie nahm mich, die Gymnasiastin, immer ins Philharmonische mit, wohl ahnend, dass diese Saat in meinem Leben gut aufgehen würde. Recht hat sie gehabt.

Tante Dietz‘ Mutter Emmy und ihre Schwester Lilly, meine Urgroßmutter, wuchsen im Haus Babenbergerstraße 1 auf. Im 3. Stock. Im Erdgeschoss befand sich die Familienfirma, der Herrenausstatter Carl Berecz. Heute befinden sich in diesem Haus mehrere Büros des Kunsthistorischen Museums. Und immer, wenn ich zu Besprechungen dort bin, denke ich an Lilly und Emmy, die schon vor mehr als 130 Jahren dieselben Stufen hinauf und hinunter sprangen und aus ihren Fenstern die jungen Erzherzöge und Prinzessinnen im Burggarten beobachten konnten.

So schließen sich viele Kreise. Übrig bleiben Freude, Glück und Dankbarkeit. Ruhe in Frieden, Tante Traudl.

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